10/11 FEATURE memo-media.de memo-media.de MIT HALTUNG UliK hat’s erfunden. Der Tausendsassa, der Riesenschnecken zähmt und mit Rakete und Rollschuhen zuweilen durch die Gegend rast, ist der Daniel Düsentrieb der Event- und Artistikszene. Er schraubt, was das Zeug hält. Rinnen muss der Schweiß. Als erster ließ er sich mit seiner Riesentrommel von einem Industrieroboter durch die Lüfte schwenken. Ein Act, den er international an große Showproduktionen verkaufte. 2021 folgte konsequent UliK Robotic Circus »Salto Robotale«. Eine Produktion, gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Erzählt wird die Geschichte eines Familien-Circus auf dem Weg in die Moderne. Ein Industrie-Roboter ist die neue Sensation. Dieses neue wilde Maschinen-Monster muss gezähmt, drester nötig. Zwischen München, Zürich, Wien und Bremen ist das Publikum erwünscht, was der Fernsehshow covidbedingt vom Start weg fehlte. Was der Sendung nicht fehlt, ist die journalistische Ernsthaftigkeit. Böhmermann guckt hinter die Fassaden der Gesellschaft. Medienmogul Burda wurde ob seiner halbseidenen gelben Blätter ebenso das Ziel von investigativer Recherche wie Kunstsammlerin Julia Stoschek, deren Reichtum Urgroßvater Max Brose begründete, mit »Arisierung« genannten Enteignungen vermehrte und der unter den Nazis Wehrwirtschaftsführer war. Eine Vergangenheit, die die Familie noch nicht ernsthaft aufgearbeitet hat. Für so was gab es 2021 den Sonderpreis des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für das Team des »ZDF Magazin Royale« DAS CHAMÄLEON Das Chamäleon Varieté-Theater in Berlin liegt mitten in den kultigen Hackeschen Höfen im Berliner Scheunenviertel. Im Gegensatz zu vielen anderen dortigen Läden und Institutionen musste es noch nicht dichtmachen und einem Markenartikler weichen. Die Lage ist begehrt. Trotz mehrerer Häutungen lebt das Chamäleon Varieté immer noch im ursprünglichen Biotop. Kaum sonst wird Varietékunst in einer solchen Vielfalt gezeigt wie dort auf der ersten Etage. Und das seit 31 Jahren. Der Cirque Le Roux aus Frankreich verschmilzt mit »The Elephant in the Room« den Film des alten Hollywood mit Akrobatik auf der Höhe der Zeit. Die einzige Frauenrolle der Show, die der Miss Betty, ist von Marlene Dietrich inspiriert. Für die Kompanie ist die Dietrich eine Vorreiterin des Feminismus. 2015 wurde das Stück beim Edinburgh Fringe Festival aufgeführt und für den renommierten »Total Theater Award« nominiert. 2017 wurde »The Elephant in the Room« mit dem »Étoile du Parisien Award« ausgezeichnet. Das Stück wurde weltweit über 400 Mal aufgeführt. Nun hat es die Kompanie in Kooperation mit dem Chamäleon upgedatet und den Cast von vier auf sechs Darsteller und Darstellerinnen upgegradet. Das Stück thematisiert eine gesellschaftliche Haltung: »Dies ist einer der Gründe, warum wir das Stück >The Elephant in the Room< genannt haben«, erklärt Charlotte Saliou, die Regisseurin, und meint damit Menschen, die die eklatanten sozialen Ungerechtigkeiten ignorieren wie den sprichwörtlichen Elefanten mitten im Raum. »Kulturell gesehen ist das Stück wie die Zeit, die es repräsentiert, auch ein Gegenmittel gegen die Weltwirtschaftskrise, das Aufsprudeln der Schönheit von Hollywood-Filmen, Musicals und Tänzen. Natürlich präsentieren wir eine überzeichnete Version …, eine burleske Interpretation und verwenden den Humor als unser wichtigstes Werkzeug.« Das können wir heute erst recht gebrauchen. ROBOTERMÄRCHEN UliK erzählt Zirkus mit einem Roboter Fotos: Jean Penninck, Jann Hoefer, Cirque Bouffon / Dmitry Shakhin siert und trainiert werden. Ein chinesischer Mast wird dabei herumgeschleudert und eine Handstandnummer auf einem fliegenden Mini-Flugzeug rührt an. Jonglage, Partnerakrobatik und Luftartistik werden kombiniert mit Anleihen bei Comics, Filmen und Videospielen. »Salto Robotale« ist weltweit der erste Circus mit einem Industrie-Roboter als Ensemble-Mitglied! Laut UliK trifft hochklassige Artistik auf eine Mensch- Maschine mit Seele. UliK hat das seltene Talent, Maschinen so etwas wie eine Seele einzuhauchen. POESIE IST AUCH EINE HALTUNG Der Cirque Bouffon, der Zirkus der Narren, konnte coronabedingt sein 15-jähriges Bestehen erst mit Verspätung feiern. Der französische Regisseur, künstlerische Leiter und Gründer Frédéric Zipperlin feiert das Jubiläum jetzt mit seiner neuesten Inszenierung »Bohemia«. Der Titel »Bohemia« ist eine Hommage an die Gründerväter der Bohème, die aus Böhmen stammenden Roma. Gleichzeitig beschreibt der Begriff aber auch die ganz eigene Lebensart der Subkultur intellektueller Randgruppen, der Maler, Dichter und Literaten, der Unangepassten und den gemeinsam geteilten Wunsch, bürgerliche Werte zu überwinden, die als einschränkend erlebt werden. Die kreative Freiheit steht über allem. Gründer Zipperlin hat sich mit dem Nouveau Cirque Bouffon dieser Philosophie verschrieben. Das Ensemble aus internationalen Artist:innen und Musiker:innen präsentiert eine eigene poetische Mischung aus Humor, Zirkuselementen, aus Musik und Theater. »Bohemia« kommt vom 8. April bis 22. Mai 2022 nach Köln und vom 28. Mai bis 26. Juni 2022 nach Hamburg. Im Herbst folgen Gastspiele in Saarbrücken, Bielefeld sowie eine Frankreich-Tour. Haltung ist ein sehr seltenes Element. Einschaltquoten und Clickbaits sind heute die Währung, die zählt. Auch im Showgeschäft. Umso besser, natürlich politisch und für unser aller Seelen, ist, dass es Showmacher und -macherinnen mit Haltung immer noch zu finden gibt. Was »Wünsch Dir was« vor 50 Jahren vorlebte, findet bei Jan Böhmermann eine Fortsetzung. Besonders im Cirque Nouveau lässt sich das seltene Element »Haltung« finden. Der Cirque Le Roux bespielt damit das Chamäleon Theater in Berlin. Tausendsassa UliK hat die Corona-Pause genutzt, einem Roboter Leben einzuhauchen, und Frederic Zipperlin und der Cirque Bouffon verzaubern wieder mal Groß und Klein. Chapeau! Composure is a rare element indeed. Audience ratings and clickbaits are what counts today, and that applies also to showbiz. So it comes as a genuine relief, both politically and for our mental balance, that there still are showmakers with a defined attitude to be found. What the popular TV show »Wünsch Dir was« set as example 50 years ago is today carried on by Jan Böhmermann. And this rare element is also to be found at the Cirque Nouveau. The Cirque Le Roux is putting on a proper display of such attitude at the Chamäleon Theater in Berlin. Allrounder UliK made use of the Covid shutdown to animate a robot; Frederic Zipperlin and the Cirque Bouffon are again enchanting adults and children alike. Chapeau! Der Cirque Bouffon feiert sein 15jähriges Jubiläum INFO Alle Kontaktdaten auf www.eventbranchenverzeichnis.de
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