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showcases: 03/2014

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  • Fraeuleinwunder
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Sie werden sich wundern, wie oft Sie in dieser Ausgabe auf das Wort „Fräulein“ stoßen. Das Fräuleinwunder findet nämlich auch bei uns statt. Die neuen Fräuleins haben aber so gar nichts von Jungfern. Und schüchtern sind sie erst gar nicht. Die eine trägt Bart, die andere ist eigentlich ein „Herrlein“ und schmeißt sich nur für ihren Beruf in Fummel. Noch eine andere hat tatsächlich beide X-Chromosomen. Showbusiness, Varieté und Zirkus waren schon immer eine Heimat für die, die einfach in ihrer Geschlechterrolle nicht so eindeutig sein wollten: herrlich anders! In unseren Künstlerportraits lernen Sie die Preisträger der Freiburger Leiter 2014 kennen: den unterallgäuer Kabarettisten Maxi Schafroth, die portugiesische Theatergruppe Teatro SÓ mit Sitz in Berlin und die Vocalpuristen von ONAIR. Und als Best Case stellen wir Ihnen einen europäischen Event vor, bei dem bildende Kunst das Environment für die Kommunikationsbotschaften bildet. Prominente wie Robert Wilson, Elfriede Jelinek oder René Böll haben ihre Werke gemeinsam mit anderen internationalen Künstlern zu Botschaftern der Bedürfnisse von Frühgeborenen und zu Abbildern der Gefühlsskala dieser Eltern gemacht, die diese Gefühle von Angst bis Hoffnung extrem durchleben.

showcases.de Fotos: ORF/Thomas Ramstorfer, Ina Bohnsack, Berliner Ensemble / Lesley Leslie-Spinks Georgette die Diseuse Einen recht ähnlichen Weg, nämlich den der Umwege, fand Georgette Dee. Der führte allerdings über Hamburg und London und erst ein wenig später in die deutsche Hauptstadt, die damals noch keine komplette deutsche Hauptstadt (ausgenommen der DDR) war. Die Sängerin und Schauspielerin, deren bürgerlicher Name nach wie vor ein Geheimnis ist, traf in Hamburg übrigens auf die frühe Lilo Wanders. 1989 tourte sie durch die DDR, bevor sie 1992 schlagartig einem großen Publikum bekannt wurde, weil sie die Bühne des hehren Tempels »Schillertheater« betreten durfte. Der Hang zur Schauspielbühne sollte Georgette dann auch nicht mehr verlassen. Mittlerweile ist sie am Schiffbauerdamm angekommen, wo sie 2012 ein vielbeachtetes Programm mit Liedern des ehemaligen Hausherrn Brecht präsentierte. In Robert Wilsons grandiosem und bildgewaltigem Kaleidoskop der Shakespeare-Sonette hat sie dort eine Hauptrolle als Zeremonienmeisterin. Die Musik dazu ist übrigens von Rufus Wainwright in zartester Weise gesponnen. Das Stück läuft seit 2009 im Repertoire des Berliner Ensembles als echter Dauerbrenner. Am Nationaltheater Mannheim spielte Georgette Dee die Marlene Dietrich. Schon der Auftrittsapplaus war frenetisch. Travestie und Burleske sind der Halbwelt längst entwachsen. Das herrlich Verruchte und das raffiniert Mehrdeutige sind dabei aber nicht abhanden gekommen. Ob im Kleinkunsthaus, Varieté, Vaudeville, Schauspielhaus – oder gar beim ESC mit seinen vielen Millionen Zuschauern, diese anderen KünstlerInnen haben ihr Show-zu-Hause gefunden. Diversität ist nicht mehr nur eine Minderheitenkultur, sondern mit einer wahnsinnigen Lebensfreude im kulturellen »Mainstream« angekommen. Und das ist gut so. Dame Edna Everage darf sich getrost zurückziehen: »Goodbye, Possums!« The ancient Romans were fond of burlesque, and most recent findings near the Nile River indicate that pharaohs in their palaces weren’t of the prudish kind either. In Shakespearean England, lads donned ladies’ apparel, so Juliet certainly needed to shave well. In the cradle of democracy, ancient Greece, androgynous lads and hermaphrodites were popular with some. Ambiguity was long part of human cultural history, followed by a long intermission. Dame Edna Everage was later to be a pioneer in the contemporary English-speaking world, and in the Germany of the 1980’s, Mary&Gordy found a niche for travesty in the world of public service broadcasting. Nevertheless, even today, exciting loucheness and wicked ambiguity is ever-present. Be it cabaret, varieté, vaudeville, theater or even the ESC with its millions of spectators, these different performers have found their show platform. Diversity is no longer just a minority phenomenon; it has found its way to cultural mainstream with mind-blowing joie de vivre. And that’s the way it should be, too. Dame Edna Everage may retire with peace of mind: »Goodbye, Possums!« info Georgette Dee: die Diseuse im Berliner Ensemble Die Kontaktdaten aller genannten Künstler finden Sie auf www.memo-media.de

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